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Datum: 20.10.2023

Verleihung der Stadtplakette am 20. Oktober 2023 - Laudationes auf Stadtplakettenträger Hansgünter Fleischer und Ehrenbürger Ralf Oberdorfer

+++SPERRFRIST VERANSTALTUNGSENDE++++
Bei der heutigen (20. Oktober 2023) Festveranstaltung in der Galerie des Malzhauses überreichte Oberbürgermeister Steffen Zenner eine Stadtplakette der Stadt Plauen an Hansgünter Fleischer. Ralf Oberdorfer erhält das Ehrenbürgerrecht.

Der Stadtrat der Stadt Plauen hat in nichtöffentlicher Sitzung am 6. Juni die Auszeichnungen der beiden Herren beschlossen. Wie immer hatten die Fraktionen ihre Vorschläge Anfang des Jahres eingereicht. Nach Vorberatung in den Fraktionen und anschließend im Verwaltungsausschuss traf letzten Endes der Stadtrat die Entscheidung, wie es die entsprechende Satzung über die Ehrung verdienter Persönlichkeiten vorsieht. Notwendig für den Beschluss ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Stadträte.

Die Stadtplakette wird seit 1996 verliehen. Insgesamt haben seither 71 Bürger eine hohe Auszeichnung der Stadt Plauen erhalten, darunter wurde acht Mal die Ehrenbürgerschaft (Thomas Küttler (+), Lothar Rentsch (+), Dr. Rolf Magerkord, Prof. Dr. Klaus-Dieter Waldmann, Manfred Feiler (+), Hellfried Unglaub, Ruth Müller-Landauer (+) und Gert Müller). verliehen. In diesem Jahr wächst die Zahl der Geehrten auf insgesamt 73.
Persönlichkeiten, die sich in besonderem Maße um die Entwicklung der Stadt Plauen, deren Ansehen oder das Wohl ihrer Bürger verdient gemacht haben oder dafür tätig gewesen sind, kann die Stadtplakette der Stadt Plauen verliehen werden. Die Modalitäten sind geregelt in der »Satzung über die Ehrung verdienter Persönlichkeiten durch die Stadt Plauen«. Vorschlagsberechtigt für Ehrungen nach der damals gültigen Satzung sind der Oberbürgermeister und die Stadtratsfraktionen. Nach einer erneuten Änderung der Satzung können auch Bürgerinnen und Bürger einen Vorschlag für Ehrungen einreichen.

Im Folgenden sind die Laudationes zu lesen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Laudatio auf Hansgünter Fleischer

Sehr geehrte Gäste und vor allem lieber Hansgünter und liebe Waltraud,

ich kann mich noch ganz gut erinnern, als sich erstmals - wissentlich von meiner Seite - unsere Wege kreuzten. Als sehr junger Journalist für den »Vogtland-Blick« war ich erstmals aus beruflichen Gründen bei einer Stadtratssitzung zu Gast. Und während die politischen Akteure der Nachwendezeit doch in einem teilweise recht rüden Ton aufeinander einschlugen und sich in der noch jungen Demokratie ausprobierten, stand da ein Beigeordneter, der für mich damals wenig spannend daher kam - in seinem grauen Jackett, mit sorgsam gekämmtem Haar und schmaler Brille. Das einzig wirklich farbige, was ich damals an Hansgünter Fleischer wahrnahm, war seine bunte Krawatte. In meinen ersten Beiträgen - und dafür möchte ich mich heute gern entschuldigen - kamst Du, lieber Hansgünter, vielleicht oft ein wenig zu schlecht weg.
Als Beigeordneter für die Themen Schulen und Kultur warst Du in einem Bereich tätig, in dem gerade in der Nachwende-Zeit das Tauziehen um kluge Lösungen oft besonders groß war. Damals warst Du für mich meist zu leise, ein Diplomat eigentlich. Es war eben nicht die Zeit für Diplomaten, nicht die Zeit für leise und bedachte Töne. Aus heutiger Sicht ist es aber genau das, was ich an Dir ganz besonders schätze.
Am Freitag, dem 13., genauer gesagt am 13. September 1941 ist Hansgünter Fleischer in Plauen auf die Welt gekommen - er sollte das einzige Kind seiner Eltern bleiben.
Sein Weg ins Leben, war gar nicht so einfach. Acht Tage - so ist es überliefert - übernachtete die Hebamme an der Seite seiner Mutter und der damalige Geburtshelfer Dr. Spitzner soll - auch eine anekdotische Erzählung - von einer seiner schwierigsten Geburten gesprochen haben.
Hansgünters Vater dankte dem Mediziner später mit einem Fässchen Cognac dafür, dass der seinem Sohn nach viel Geburtsdrama den Weg ins Leben ermöglicht hatte.
Sein kleinbürgerliches, katholisches Elternhaus prägte den Jungen - beide Eltern waren Angestellte, seine Großeltern mütterlicherseits eher politisch bei der Sozialdemokratie verortet. Die Familie seines Vaters war politisch ungebunden. In Löhme bei Schleiz verbrachte Hansgünter Fleischer seine Kindheit, weil er in der Plauener Wettinstraße mit seiner Familie - wie damals viele Plauener - ausgebombt war.
Nach seiner Rückkehr in die Spitzenstadt besuchte er die Mosenschule, später als guter Schüler die EOS »Friedrich Rückert« und die Adolf-Diesterweg-EOS. Das war nicht selbstverständlich, denn schon 1953 starb sein Vater und Hansgünter Fleischer verlor nicht nur seinen Papa, sondern auch eine wirtschaftliche Basis als guten Start ins Leben. Seither - so erzählt er selbst - trug er Kleidung von Bekannten auf, weil die Mutter nicht ausreichend Geld hatte, neue Kleidung zu kaufen.
Dennoch wuchs Hansgünter Fleischer in einer Zeit auf, die sich meine Generation - rückblickend auf die eigene Jugend in den 80-er Jahren - kaum mehr vorstellen konnte. Denn die Berliner Mauer stand noch nicht und seinen Onkel in Aschaffenburg konnte er ebenso problemlos besuchen, wie seine Tante in Finkenwerder, wozu er mit der S-Bahn durch Westberlin fuhr.
1960 verpflichtete sich der, aus der vogtländischen Hügellandschaft stammende, Abiturient Hansgünter Fleischer für drei Jahre zur DDR-Volksmarine. Er wollte - von Fernweh getrieben - raus aufs Meer, auch weil er dann eine Uniform statt abgetragener Kleidung anziehen durfte. Als wir uns vor einiger Zeit unterhielten, bekannte er diesbezüglich: »Weißt Du Ingo, mit einer Uniform, da ist man in jeder Situation gut angezogen.« Diese Sichtweise teile ich - als bekennender Pazifist und im Angesicht aktueller kriegerischer Auseinandersetzungen - zwar nur eingeschränkt, kann das aber aus seiner damaligen Sicht sehr gut nachvollziehen. In der Marineuniform hatte er mehrere Aufgaben, er räumte mit seinen Kameraden Minen aus dem zweiten Weltkrieg in der Ostsee und arbeitete einige Zeit als zweiter Koch auf einer DDR-Staatsjacht. Man bot ihm später sogar an, nach dem Wehrdienst eine Art Militär-Attaché auf See zu werden - dazu hätte er jedoch SED-Mitglied werden müssen, was ihm zuwider war.
Sein Ausweg war damals die frisch gegründete CDU in Plauen - rückwirkend zum 1. Januar 1967 trat er in die Partei ein. Damit war allerdings seine Marinekarriere trotzdem beendet - man mochte damals keine politisch unsicheren Kantonisten.
Nach der Wehrzeit studierte Hansgünter Fleischer an der Humboldt-Universität Berlin und wollte Lehrer für Mathematik und Deutsch werden. Nach einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Polytechnik der Uni ging dieser Wunsch auch in Erfüllung.
In der 14. Oberschule in Berlin-Friedrichshain übernahm er wenig später eine 7. Klasse, zu der er bis heute Kontakt hat. Erst vor wenigen Wochen
traf man sich in Leipzig, auch weil Berlin für ihren ehemaligen Lehrer immer ein ganz schön weiter Weg ist.
Weil er damals in der Hauptstadt der DDR keine Wohnung fand, kehrte Hansgünter Fleischer, der heute Gatte der ehemaligen Lehrerin Waltraud und Vater des heute 44-jährigen Sohnes Manuel ist, nach Plauen zurück. Er lehrte fortan in der Kemmler-Schule, später an der Rückert-Schule bis ihn kurz vor der Wende der Ruf an die Behindertenwerkstatt am Wartburgplatz ereilt, deren Leiter er bis 1990 war.
Mit der Friedlichen Revolution übernahm Hansgünter, der seit 1979 im Ehrenamt Stadtverordneter für die CDU war, hauptamtlich für vier Jahre politische Verantwortung als Beigeordneter der Stadt Plauen. In dieser Zeit, die für viele für uns wilde, schnelle und aufregende Jahre waren, versuchte er Weichen zu stellen. Und auch wenn damals vieles gelang - von Kita-Sanierungen über Schulstrukturen, die neu zu schaffen waren, bis hin zur Neuordnung der kulturellen Einrichtungen und dem Mitschreiben am Kulturraumgesetz - sagt Hansgünter Fleischer bis heute, dass in diese Zeit auch sein größter politischer Misserfolg fiel.
Denn: Es gelang nicht, die Orchesterfrage in der Grenzregion mit den meisten Klangkörpern Europas zu lösen. Damals sei er mit dem ehemaligen Intendanten der Hofer Symphoniker, Wilfried Anton, sogar in der bayerischen Staatskanzlei bei Peter Gauweiler gewesen, um eine Fusion der Theaterorchester der Partnerstädte zu einem A-Orchester mit 120 Musikern auf den Weg zu bringen. Das wäre aus seiner Sicht bis heute der Königsweg gewesen, um das Plauener Theater eigenständig in eine Kooperation mit dem Hofer Musentempel zu führen.
Nach seiner Zeit als Berufspolitiker und Verwaltungsmann kehrte Hansgünter Fleischer wieder in den Schuldienst zurück - unterrichtete an der Förderschule Oelsnitz, am Lessing- und am Diesterweg-Gymnasium. Von dort aus erfolgte schließlich seine Abordnung als Leiter der Medienstelle der Stadt Plauen - es war seine letzte berufliche Station, bevor er 2007 in seinen wohlverdienten Ruhestand ging.
Doch auch in seiner Zeit als Lehrer und als Ruheständler blieb Hansgünter Fleischer ein politisch engagierter Mensch, blieb Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion bis zum Jahr 2019. In dieser Zeit - insbesondere zwischen 2014 und 2019, als wir gemeinsam in einer Fraktion arbeiteten, habe ich Dich, lieber Hansgünter sehr schätzen gelernt - wegen Deiner stets zugewandten, offenen, diplomatischen, ja oft leisen Art.
Als Stadtrat und Stadtverordneter warst Du somit vierzig Jahre lang tätig - eine unfassbar lange Zeit. Dabei galt Hansgünter stets als Anwalt seiner Wähler und als »Bürgermeister von Alt-Haselbrunn«.
In die Stadtverordnetenversammlung ging er damals übrigens, um ein ganz konkretes Problem vor Ort zu klären. Man wollte den Bahnübergang am Stadtwald - den Posten 79 - nachts komplett schließen, was für die Bürger enorme Umwege zur Straßenbahn bedeutet hätte. Hansgünter Fleischer regte an, wenigstens Halbschranken zu installieren, um Fußgängern ein Überqueren der Gleise zu ermöglichen. Sein Engagement trug Früchte - Kommunalpolitik und Einsatzbereitschaft konnte damals wie heute durchaus wirksam sein. Seinem Spitznamen als »Bürgermeister von Althaselbrunn« wurde er auch gerecht, als er nach der Wende das Abwasserproblem in Althaselbrunn so lange thematisierte, bis der Zweckverband Wasser und Abwasser Vogtland schließlich einen großen Sammler einbaute und das Problem behoben hat.
Weitere positive Entwicklungen, für die sich der heute 82-Jährige stark machte, waren die Ansiedlungen von Kaufland in der einstigen Baumwollspinnerei an der Morgenbergstraße und des Möbelhauses Biller.
Geradezu legendär ist seine Rede zur zwingenden Sanierung der Hammerstraße, als er Dir, lieber Ralf Oberdorfer, die etwas schlüpfrige Frage stellte, ob Du einen Deal mit den dort ansässigen Damen des horizontalen Gewerbes hättest. Die Straße sei so schlaglochhaft, dass die Betten wackeln würden, wenn ein Lkw vorbei fährt, was wiederum den Job der dort arbeitenden Frauen erleichtere.
Fakt am Rande: Die Straße wurde in zeitlicher Nähe dieser pointierten Wortmeldung grundhaft instand gesetzt.
Weg von der Politik: Kommen wir noch zu einem Hobby, das Hansgünter Fleischer seit vielen Jahren pflegt. Durch seine Zeit als Seefahrer hat er einen Hang zu Seemannsliedern, die er im Shanty-Chor der Marinekameradschaft Plauen ausgiebig pflegt. Er hatte die Choristen einst auf die Zeit nach seiner Berufstätigkeit vertröstet - und pünktlich am ersten Rententag standen die Shanty-Sänger vor seiner Tür und erinnerten ihn an sein Versprechen. Und wie er es üblicherweise tut, so stand er dazu, was er damals gesagt hatte.
Dem Singen aber frönt er bereits seit 1973 im Oelsnitzer »Halbmond-Chor«, der heute als Vogtlandchor »Vocapella« einen guten Ruf bei Musikfreunden genießt. Oft führte er als Conferencier durch die
Chorprogramme des Ensembles, was ihm in Künstlerkreisen den Spitznamen »Fips« Fleischer - nach dem gleichnamigen Komponisten und Entertainer - einbrachte.
Du, lieber Hansgünter Fleischer, bekommst auf meinen Vorschlag, den die FDP-Fraktion im Stadtrat aufgegriffen hat und der die Unterstützung einer breiten Mehrheit im höchsten Gremium unserer Stadt erhielt, heute die Stadtplakette Plauens.
Dazu möchte ich Dir ganz herzlich gratulieren! Bleib gesund und Deiner Heimatstadt noch lange - auch als kluger, diplomatischer Ratgeber - erhalten!
Danke, dass Du Deine - unsere - Stadt Plauen auf so bemerkenswerte Weise mitgestaltet hast!

Ingo Eckardt
Parteiloses Mitglied der FDP-Fraktion im Stadtrat Plauen


Laudatio auf Ralf Oberdorfer

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist in dieser unserer Stadt Plauen eine gute und schöne Tradition, dass wir uns alljährlich im Frühherbst in einem feierlichen Rahmen treffen, um Bürgerinnen und Bürger aus unserer Mitte, also aus der Bürgerschaft, für besondere Leistungen zu ehren und auszuzeichnen.
Es ist mir eine besondere Freude, heute Abend hier im Malzhaus Ralf Oberdorfer willkommen heißen zu können. Ebenso herzlich möchte ich aber auch Angehörige und Freunde des heute zu Ehrenden begrüßen.
Ralf Oberdorfer hat 21 Jahre lang die Geschicke seiner und unserer Stadt Plauen lenken dürfen. Er hat dem Gemeinwohl damit in ganz besonderer und unverwechselbarer Weise gedient. Dafür soll er hier und heute mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Plauen ausgezeichnet werden.
21 Jahre - ist das nun viel oder wenig?
Ich habe mit fortschreitendem Lebensalter die Erfahrung gemacht und ich mache sie immer wieder aufs Neue, dass die Zeit gefühlt wesentlich schneller vergeht als in länger zurückliegenden Lebensabschnitten. Und ich denke, lieber Ralf, das erleben viele unserer Altersgenossen ganz ähnlich so.
21 Jahre lagen zum Beispiel zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 und dem September 1939, als der Zweite Weltkrieg begann und seinen verhängnisvollen schrecklichen Verlauf nahm.
21 Jahre, das sind fast neun Jahre mehr, als die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland andauerte.
21 Jahre, das sind aber auch sieben Jahre mehr, als Conrad Hermann Joseph Adenauer als erster deutscher Bundeskanzler regierte.
21 Jahre, das sind jeweils fünf Jahre mehr, als Helmut Kohl (von 1983 bis 1998) und ebenfalls Angela Merkel (von 2005 bis 2021) dieses Amt innehatten.
Und schließlich, ohne diese Aufzählung ins den Abend sprengende Unendliche auszudehnen: Selbst Erich Honecker stand nur 18 Jahre lang (von 1971 bis 1989) an der Spitze des Zentralkomitees der SED.
Nun beschreibt aber diese Zahl von 21 Jahren zunächst einmal nur eine gewisse Quantität, nicht aber die Qualität, die wesentlichen inhaltlichen Akzente einer solchen Amtszeit.
Allein schon die Tatsache, dass Ralf Oberdorfer in diesen 21 Jahren von der wahlberechtigten Bürgerschaft der Stadt Plauen wiedergewählt wurde, lässt aber selbst bei oberflächlicher Betrachtung den Rückschluss zu, dass er wohl vieles richtig, oder, wenn man es etwas vorsichtiger formulieren möchte, ordentlich gemacht haben muss.

...

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle sei es erlaubt, kurz auf die Biografie, die Herkunft und vor allem die jungen Jahre des heute zu Ehrenden einzugehen.
Und wie bei so vielen, ja eigentlich bei fast allen Menschen, finden sich bereits interessante Ansatzpunkte, die seinen späteren Werdegang hier oder da in einem ganz besonderen Licht erscheinen lassen.
Ralf Oberdorfer wurde 1960 in Plauen geboren.
Er ist in Haselbrunn aufgewachsen, in jenem ganz besonderen Stadtteil im Norden unserer Stadt.
Jeder Stadtteil - die Berliner verwenden dafür den Begriff »Kiez« - hat seine eigene Tradition, seine Historie, aber auch bestimmte Orte, mit denen sich die Bewohner verbunden fühlen und auf die sie durchaus stolz sein können. In Haselbrunn gibt es das alles noch einmal in ganz speziellen Formen und Ausprägungen.
Und es ist, die Bemerkung sei mir an dieser Stelle erlaubt, eine ganz besondere und glückliche Fügung zugleich, dass am heutigen Abend ein weiterer Haselbrunner mit der Stadtplakette geehrt werden kann. Und es gibt in Haselbrunn noch mehr aktive und engagierte Bürger, deren Engagement ebenfalls Ehrung und Auszeichnung verdient. In diesem Zusammenhang und ebenfalls hier und heute als Randbemerkung, ohne zu viel zu verraten: Heute in drei Wochen, am Freitag, 10. November 2023, wird hier an gleicher Stelle im Malzhaus durch das Bündnis für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage Vogtland neben anderen ein Mann mit dem »Preis für Zivilcourage« ausgezeichnet, der ebenfalls eng mit Haselbrunn verbunden ist und hier schon lange segensreich Spuren hinterlassen hat.

Zurück zu Ralf Oberdorfer: Seine Mutter Marianne ist ebenfalls in Haselbrunn aufgewachsen und ihr Vater wiederum, von Beruf Schlossermeister, baute 1922 im damals neu errichteten Freibad Haselbrunn die Schlösser ein.
Gut möglich, dass hier schon ein Grund für die Verbundenheit des heute zu Ehrenden mit diesem Bad, das viele Generationen von Plauenern nur das »Stadion« nannten (und nennen), zu suchen ist.
Oberdorfers Vater Otto indes stammte nicht aus Plauen.
Er kam, der Liebe wegen, aus Süddeutschland, als der Schwäbischen Alb, ins Vogtland.
»Er war der Einzige aus der Familie, der jemals die heimatliche Region verlassen hat«, erzählte mir Ralf Oberdorfer vor einigen Tagen.
Der Großvater väterlicherseits wiederum war, wie so viele Familienväter und Männer aus dem einfachen Volk, im Krieg gefallen.
Diese Tatsache ist wohl ein Grund unter mehreren, warum Ralf Oberdorfer Kriege als Mittel zur Lösung politischer Konflikt strikt ablehnt.
Als Haselbrunner lernt Ralf Oberdorfer zehn Jahre lang (von 1966 bis 1976) an der Seume-Oberschule. Für alle Jüngeren unter uns: Haselbrunn verfügte einst, aufgrund der wesentlich höheren Einwohnerzahl als heute, über zwei zehnklassige Polytechnische Oberschulen: Neben der Rückert- Oberschule war dies gleich daneben eben die Seume-Oberschule, in deren Gebäude sich heute die Grundschule »Friedrich Rückert« befindet.
Nach dem Abschluss der zehnten Klasse absolviert er eine Berufsausbildung mit Abitur, ein in der ehemaligen DDR durchaus sinnvoller Bildungsweg, innerhalb von drei Jahren sowohl die Hochschulreife als auch einen Berufsabschluss zu erwerben.
Die praktische Ausbildung fand im damaligen Metallleichtbaukombinat, kurz MLK, noch früher VEB Stahlbau, an der Hammerstraße statt.
Es folgen 18 Monate Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee in einer Instandhaltungskompanie am Standort Bad Frankenhausen in Thüringen.
Danach nimmt Oberdorfer im Jahre 1982 in Karl-Marx-Stadt, das heute wieder Chemnitz heißt, ein Studium in den Fächern Maschinenbau und Pädagogik auf, das er 1986 - »vorzeitig«, wie er betont, also vor Ende der eigentlichen Regelstudienzeit, als Diplom-Ingenieurpädagoge abschließt. Praktisch bedeutet dies, dass er fortan als Lehrer an einer Berufsschule unterrichten darf.
Und das tut er auch bis zu, oder - um ganz korrekt zu sein - bis kurz vor den revolutionären Ereignissen, die im Herbst 1989 ihren Ausgang nahmen und als »Friedliche Revolution von 1989« in die deutsche Geschichte eingegangen sind.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch, dass er den Versuchen der verantwortlichen Offiziere und Mitarbeiter des Plauener Wehrkreiskommandos an der Richard-Hofmann-Straße, ihn als Offizier für den Dienst in den Reihen der »Bewaffneten Organe« zu gewinnen, bereits vor Studienaufnahme eine Abfuhr erteilte.
»Mein Vater hat mich da sehr geprägt.« Oberdorfers Vater musste sechs lange Jahre erleben und erleiden, was Krieg bedeutet.
Es ist eine Erfahrung, die auch deutsche Politiker der Generationen von Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerd Bastian oder auch Franz-Josef Strauß prägten und von dem sie sich in ihrem Handeln stets leiten ließen.
Und es ist eine Erfahrung, über die Politiker verschiedener Parteien heute, fast könnte man sagen »leider«, nicht mehr verfügen.
Ralf Oberdorfer ist noch in den 1980er Jahren zu den Liberalen, also zur damaligen Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands, gekommen. Auch wieder für die Jüngeren im Raum: Das war eine unter mehreren Parteien in der DDR, die im so genannten »Demokratischen Block« unter Führung der SED mitarbeiten durfte.
Freie Wahlen, so, wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht.
Die Blockparteien durften Kandidaten für die Einheitsliste der Nationalen Front aufstellen, deren Zahl jeweils für Volkskammer, Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertreterversammlungen genau vorgeschrieben war. Die SED hatte immer die Mehrheit.
Der heute zu Ehrende wurde von einem seiner ehemaligen Lehrer, einem Mann aus Bad Elster, zu einer Parteiveranstaltung mitgenommen.
»Politik hat mich schon immer interessiert«, sagt er heute.
Er stößt zum Team der LDPD-Kreisgeschäftsstelle, wo damals kurz vor der »Wende« der junge Joachim Günther als Kreissekretär tätig ist.
Kurze Zeit später, Günther wurde zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt (dem er 23 Jahre lang bis zum Herbst 2013 angehören wird, was er damals freilich kaum ahnen, geschweige denn wissen kann), wird Ralf Oberdorfer Leiter des Wahlkreisbüros von Günther.
Ehe er am 9. Juli 2000 zum Oberbürgermeister gewählt wird, passiert noch etwas Anderes.
Ralf Oberdorfer wird im Frühsommer 1994 in den Stadtrat gewählt.
Diese Wahl entbehrte nicht einer gewissen Dramatik.
Im Unterschied zum heutigen Verfahren wurden die 48 Ratsmitglieder noch in sechs verschiedenen Wahlkreisen gewählt.
Mit dem Auszählmodus war offenbar auch der Wahlausschuss überfordert.
Er ließ zunächst eine Liste der gewählten Mandatsträger veröffentlichen, die für Oberdorfers Partei, die FDP, drei andere Namen enthielt. Ralf Oberdorfer stand nicht mit darauf. Die Sache war eigentlich »erledigt«.
Zwei Tage später erfolgte die Korrektur.
Ralf Oberdorfer fällt in der kleinen, gerade drei Stadträte zählenden, FDP-Fraktion das Amt des Fraktionsvorsitzenden zu. Dieses bekleidet er sehr engagiert. Trotzdem fehlen ihm bei der erneuten Wahl im Frühsommer 1999 knapp 30 Stimmen für den Wiedereinzug in den Stadtrat.
Wesentlicher Grund: Nach der Eingemeindung von Jößnitz, einer »liberalen Hochburg«, kann der dort ansässige Eckart George noch mehr Stimmen auf sich vereinen.
Was damals noch keiner weiß, was nicht einmal Ralf Oberdorfer selbst erahnen kann: Die vermeintliche Wahlniederlage wird sich für ihn kaum ein Jahr später als Glücksfall erweisen.
Plauens erster frei gewählter Nach-Wende-Oberbürgermeister Dr. Rolf Magerkord gibt zu Beginn des Jahres 2000 bekannt, dass er sein Amt ein Jahr vor Ablauf der eigentlich siebenjährigen Amtszeit freiwillig zur Verfügung stellen wird.
Ralf Oberdorfer sieht seine Chance und wählt den vermeintlich schwereren Weg. Anstatt sich von seiner Partei ganz offiziell als Kandidat nominieren zu lassen, tritt er als unabhängiger Bewerber an.
Dafür muss er Unterstützer-Unterschriften sammeln. Am Ende gehen wesentlich mehr Menschen ins Rathaus, als erforderlich gewesen wären. Trotzdem lag ein Wahlsieg zunächst noch in weiter Ferne.
Er möchte »ein ordentliches Ergebnis« erreichen, benennt er gegenüber seinen FDP-Freunden, die ihn im Wahlkampf durchaus unterstützen, sein Ziel.
Sechs oder sieben Kandidaten treten an. Aus dem ersten Wahlgang geht CDU-Kandidat Hansjoachim Weiß mit etwa fünf Prozentpunkten Vorsprung hervor.
Ralf Oberdorfer liegt auf Platz vier, knapp hinter Bernd Stubenrauch (von der SPD nominiert) und Mathias Sachs (PDS).
»Nach dem bayerischen Kommunalwahlrecht wäre ich damit ausgeschieden und hätte in der zweiten Runde nicht mehr antreten können.«
In Sachsen galt damals ein anderes Wahlrecht. Dieses gab ausdrücklich noch einmal allen Kandidaten eine Chance für die zweite Runde, für die sogar ganz neue Bewerber antreten durften. Später wurde dieses Wahlrecht geändert.
»Ich habe mich immer an Projekten orientiert. Wie können wir die Stadt (weiter-) entwickeln. Das ist für mich stets der Maßstab gewesen«, schaut Ralf Oberdorfer heute auf seine insgesamt drei Amtszeiten zurück.
Im engeren Kreis baut er dabei von Anfang auf ein kompetentes und loyales Team an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen um seinen Büroleiter Roland Brückner und Pressesprecherin Silvia Weck, die ihm beide über viele Jahre die Treue halten werden.
Ralf Oberdorfer wurde am 9. Juli 2000 im zweiten Wahlgang zum Oberbürgermeister der Stadt Plauen gewählt. Am 1. September des gleichen Jahres erfolgte seine feierliche Amtseinführung. Im Jahr 2007 und im Jahr 2014 jeweils wiedergewählt, bekleidete er das Amt des Oberbürgermeisters insgesamt über drei Wahlperioden und 21 Jahre.
Seine Zusammenarbeit mit den Stadtratsfraktionen und mit allen Stadträten war von Respekt und Wertschätzung geprägt. Auf Interessenausgleich und Kommunikation bedacht, strebte er stets gemeinsam mit den gewählten Bürgervertreterinnen und Bürgervertretern nach guten Entscheidungen zum Wohle der Stadt. Gleiches gilt auch für seinen Führungsstil gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung.
In seine Amtszeit fallen mehrere weg- und zukunftsweisende Entscheidungen und die Verwirklichung von Bau- und Investitionsvorhaben, welche die Entwicklung unserer Stadt Plauen weit über seine Amtszeit hinaus geprägt haben und für lange Zeit prägen werden.
Zuallererst sei hier die Wiedereröffnung des Mitte der 1990er Jahre geschlossenen Freibades Haselbrunn genannt - ein Wahlversprechen, dessen Erfüllung viele Plauenerinnen und Plauener damals nicht für möglich hielten. Es folgten die Sanierung der Festhalle, der umfassende Um- und Neubau des Stadtbades an der Hofer Straße, der Bau einer neuen Sporthalle - der »Einheit-Arena« - an der Wieprechtstraße und die Sanierung mehrerer Schulen, Sporthallen und Kultureinrichtungen ebenso wie der Neubau zweier Kindertagesstätten. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Für den Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer war es nicht nur eine Einsicht in die Notwendigkeit, sondern ein auf der Basis wirtschaftlichen Sachverstandes früh erkannter Zusammenhang, dass das Geld, welches eine Kommune ausgeben kann, zuvor erst erwirtschaftet werden muss. Für die dafür erforderlichen Entscheidungen warb er im Stadtrat beharrlich und über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg um Mitarbeit bei der Suche nach guten und tragfähigen Lösungen. Die lange intensiv und zugleich auch kontrovers diskutierte Privatisierung des Vogtland-Klinikums, die schließlich auf der Basis eines Bürgerentscheides erfolgte, steht dafür ebenso wie das in vielen und oft zeitlich langen Sitzungen dokumentierte gemeinsame Ringen um eine optimale Lösung bei der Gründung der Stadtwerke Strom.
Die Liste der erfolgreich verwirklichten Projekte wurde schließlich gekrönt von dem Vorhaben der Wiederbelebung des Schlossareals in Verbindung mit der Ansiedlung der Staatlichen Studienakademie am historischen Standort Amtsberg, an dem sich einst das Landgericht, das Amtsgericht und die Justizvollzugsanstalt befanden.
Als »Botschafter« seiner Stadt Plauen erwarb sich Ralf Oberdorfer in mehr als zwei Jahrzehnten auch deutschlandweit und über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus Anerkennung und Respekt. Zu nennen sind hier seine Mitarbeit in den Gremien des Deutschen Städtetages ebenso wie seine intensiven Bemühungen um eine gute Zusammenarbeit mit den Plauener Partnerstädten.
Ralf Oberdorfer lenkte insgesamt 21 Jahre lang die Geschicke seiner und unserer Heimatstadt Plauen. Er hat in seinen drei Amtszeiten, deren Gesamtdauer in der Stadtgeschichte beinahe ihresgleichen sucht und nach unseren Recherchen nur von zwei seiner Vorgänger übertroffen wurde, Bleibendes geschaffen und wesentliche Spuren hinterlassen.
Das langjährige Wirken Ralf Oberdorfers als Oberbürgermeister und seine vielfältigen und umfassenden Verdienste um die Entwicklung der Stadt Plauen sollen zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Stadtoberen hier und heute durch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde eine angemessene Würdigung erfahren.

Sven Gerbeth
Fraktionsvorsitzender FDP