Adler-Kracht-Kunstwerk
Der neugestaltete Rathauseingang ist um einen Blickfang reicher. Die denkmalgerechte Instandsetzung der Wandgestaltung von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht im Eingangsbereich des Neuen Rathauses ist abgeschlossen. Die Finanzierung erfolgte über die Wüstenrot Stiftung. Die zwischen 1975 und 1976 entstandene abstrakte Wandgestaltung von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht im Eingangsbereich des Neuen Rathauses Plauen ist eines der seltenen Beispiele architekturbezogener Kunst im öffentlichen Raum in der DDR der 1970er Jahre. Die abstrakte Bildsprache und imposante Größe von 250 Quadratmetern machen das Werk einmalig. 1987 wurde es mit Sandsteinplatten verkleidet und geriet in Vergessenheit. Die Wiederentdeckung erfolgte erst dreißig Jahre später, als das Rathaus saniert werden sollte. Es folgten eine Restaurierungskonzeption und 2019 der Beschluss des Stadtrats zur Freilegung, Reinigung, Putz-und Farbergänzung sowie Konservierung des Wandbildes.
Die Maßnahmen wurden fachlich vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und der unteren Denkmalbehörde der Stadt Plauen sowie von der Wüstenrot Stiftung begleitet, die wissenschaftliche und planerische Unterstützung leistete und die Restaurierung mit rund 165.000 Euro finanzierte.
Daten & Fakten zum Kunstwerk
Objektdaten & Historie |
|
Standort |
Neues Rathaus Plauen, Nordfassade Unterer Graben 1, 08523 Plauen |
Nutzung |
Kunstwerk im öffentlichen Raum |
Spitzname in der Bevölkerung |
„Geisterbahn“ |
Entwurf |
Karl-Heinz Adler (1927–2018) Friedrich Kracht (1925–2007) |
Entstehungszeitraum |
1975 – 1976 |
Größe |
250 Quadratmeter |
Technik |
Patentierte Druckbeschichtung mit Glaskrösel/Granulat, Bindemittel: Morinol-Sichtbetonkleber |
Verkleidung des Kunstwerks |
1987 Metallanker, Sandsteinplatten, Hinterfüllmörtel |
Erarbeitung des Restaurierungskonzepts |
2018 |
Zeitraum der Restaurierung |
2019 – 2024 |
Durchführung der Restaurierung im Auftrag der Wüstenrot Stiftung |
Dipl. Rest. (FH) Martin Fliedner, Möschwitz |
Gesamtkosten |
165.000 Euro |
Der Künstler Karl-Heinz Adler
- * 20. Juni 1927 in Remtengrün / Vogtland
- † 4. November 2018 in Dresden
1941–1944 |
Lehre als Musterzeichner, Studium an der Kunstschule in Plauen |
1947–1953 |
Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin (West) und Dresden |
1957–1958 |
radikale künstlerische Neubestimmung: erste konstruktiv-gestalthafte Collagewerkgruppen nach Prinzip der Schichtung von seriellen Elementen auf Papier |
1955–1961 |
Lehr- und Forschungstätigkeit an der TH Dresden, Abt. Architektur |
1957 |
Besuch bei Picasso in Vallauris (Frankreich) |
1960 |
Mitglied der Produktionsgenossenschaft Bildender Künstler „Kunst am Bau“ Dresden |
ab 1966 |
freischaffend in Dresden, 1966 Patentierung des pneumatischen Beschichtungssystems |
ab 1968 |
Entwicklung des seriellen Formsteinsystems mit Friedrich Kracht, 1972 Überführung des seriellen Betonformsteinsystems in die industrielle Produktion |
1967–1970 |
Vorsitzender der Produktionsgenossenschaft „Kunst am Bau“ Dresden Entwicklung serieller Systeme u. a. für Brunnen- und Pflanzschalen, Spielplätze und Fassadenverkleidungen |
ab 1972 |
Konzentration auf freie künstlerische Tätigkeit |
1984–1990 |
illegale Einzelausstellungen im Ausland u. a. Kunsthalle Malmö, Schweden |
1988 |
Vordemberge-Gildewart-Preis |
1988–1995 |
Gastprofessur an der Kunstakademie Düsseldorf |
1992 |
Aufnahme in den Deutschen Künstlerbund |
ab 1990 |
wachsende nationale und internationale Anerkennung seiner Arbeiten als eigenständige Beiträge zur Konkreten Kunst |
ab 1991 |
zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland |
1995 |
Ehrenaufenthalt in der Deutschen Akademie Villa Massimo, Rom, Italien |
2005 |
ständiger Ausstellungsraum im Museum Modern Art Hünfeld |
2008 |
Kunstpreis der Stadt Dresden, Honorarprofessur für Bildnerische Lehre, Fakultät Architektur der TU Dresden |
2014 |
Ernennung zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Adorf/Vogtland |
2016 |
Ernennung zum Ehrenmitglied der Sächsischen Akademie der Künste |
2018 |
Verleihung des Verdienstkreuzes der 1. Klasse des Verdienstordens der BRD |
Der Künstler Friedrich Kracht
-
* 9. Juli 1925 in Bochum
-
† 17. November 2007 in Dresden
1940–1943 |
Lehre als Bauzeichner |
1943 |
Einberufung zur Wehrmacht |
1945 |
Beendigung der Bauzeichner-Lehre, Arbeit als Maurer |
1947–1949 |
Besuch der Kunstschule Hans Tombrock in Dortmund |
1950–1951 |
Studium der Malerei an der Hochschule für Baukunst und Bildende Künste Weimar |
1951–1953 |
Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden |
1953 |
Beteiligung an der 3. Kunstausstellung der DDR in Dresden, Aufnahme in den Verband Bildender Künstler, freischaffend in Dresden auf dem Gebiet der Malerei, Grafik und baugebundenen Kunst |
1954–1960 |
Studienreisen Balkan, Italien, Frankreich, Spanien, Afrika |
1960 |
Mitglied der Produktionsgenossenschaft Bildender Künstler „Kunst am Bau“ Dresden |
1962–1972 |
patentierte Entwicklung von Komponenten und Verfahren zur künstlerischen Gestaltung und Beschichtung von Sichtflächen an Baukörpern zusammen mit Karl-Heinz Adler, Harry Schulze und Gert- Rainer Grube (u. a. pneumatisches Beschichtungsverfahren) |
1965 |
Katalog für Kinderspielplatzgeräte im Auftrag der Bauakademie der DDR, Projektierung von Spielplätzen |
ab 1968 |
Entwicklung des seriellen Formsteinsystems mit Karl-Heinz Adler, 1972 Überführung des seriellen Betonformsteinsystems in die industrielle Produktion |
ab 1968 |
Umsetzung dieser Systeme in grafische Blätter und Objekte, Hinwendung zur Konkreten Kunst |
1979 |
zwei Brunnenanlagen am Neustädter Markt Dresden mit Beton- Brunnenplastiken |
1986– 2004 |
Vorsitzender der Produktionsgenossenschaft „Kunst am Bau“ |
ab 1988 |
jährliche Teilnahme an internationalen Symposien für Konkrete Kunst in Polen |
1990–1998 |
Studienreisen nach Island, Skandinavien, Spanien, Namibia, Marokko und in das Baltikum |
1990 |
verstärkte Ausstellungstätigkeit des konkreten grafischen und plastischen Werkes |
1993–2003 |
Mitglied des Deutschen Künstlerbundes |
ab 2004 |
Mitglied des Neuen Sächsischen Kunstvereins |
Geschichte des Kunstwerkes
Stadtgeschichte am Plauener Rathaus entdecken
Auf einer Gesamtfläche von ca. 6.350 m² bildet der Rathauskomplex im Stadtzentrum von Plauen die wechselvolle Geschichte der Stadt ab. Das Plauener Rathaus wurde im Jahr 1382 erstmals urkundlich erwähnt. Ein Stadtbrand vernichtete 1430 die Fachwerkgeschosse des Rathauses. Der Wiederaufbau erfolgte von 1506 bis 1508 auf den vorhandenen Mauerresten im spätgotischen Stil mit Vorhangbogenfenstern, reich profilierten Portalen und filigranen Gewölben. Nach einem weiteren Standtbrand wurde 1548/49 der Giebel in Renaissanceformen auf dem erhalten gebliebenen spätgotischen Unterbau errichtet. Besondere Zier des Südgiebels ist seither eine Kunstuhr von Georg Puckau (Puhkaw) aus Hof. Nachdem ein um 1830 geplanter Abbruch nicht realisiert wurde, fanden 1875 Umbau- und Instandsetzungsarbeiten statt.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt Plauen durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Spitzen- und Textilindustrie zur Großstadt und ließ repräsentative öffentliche Gebäude errichten. Stadtbaurat Wilhelm Goette erarbeitete auf Grundlage eines Architektenwettbewerbs zum Rathausneubau 1909 die endgültigen Pläne für das „Neue Rathaus“ in Plauen, das zwischen 1913 und 1922 errichtet wurde.
Der Rathausneubau von 1976
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Plauener Rathaus am Unteren Graben schwer beschädigt. Nach dem Entwurf des Ateliers INSTAV (v.d.s. Praha, závod Karlovy Vary) realisierte das VE Wohnungsbaukombinat „Wilhelm Pieck“ (Karl-Marx-Stadt) in den 1970er Jahren den Neubau zwischen den erhalten gebliebenen Längsflügeln in der Herren- und Marktstraße. Das Stahlskelettbauwerk mit schräg gestellter Glasfassade über mehrere Geschosse ist ein moderner, zeittypischer Bau, der aufgrund seiner Gestaltung Akzente setzt und den finanziellen Möglichkeiten der Zeit entsprechend in äußerst qualitativer Weise errichtet wurde.
Über dem Eingangsbereich im Erdgeschoss und zwei Bestandsgeschossen des historischen Rathausbaus entstanden im 3. Obergeschoss ein großzügiges Foyer und der Ratssaal und darüber zwei Bürogeschosse. Beim Neubau des Nord-West-Flügels wurden 0,8 bis 1,0 % der Baukosten für Kunst am Bau eingeplant. Dafür fiel die Wahl auf eine Kalksteinplastik des Plauener Künstlers Hannes Schulze als Bekrönung der zentralen Treppe. Auch für die neuen Wandflächen im Eingangsbereich, die sich beidseitig der Treppenanlage mit zentralem Pförtnerhaus bis sich bis zum Erdgeschossfoyer erstrecken, wurde eine Gestaltung benötigt. Durch einen glücklichen Umstand wurden die Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht beauftragt, dafür ein Wandbild zu entwerfen, obwohl die eingeplanten Finanzmittel für Kunst am Bau eigentlich bereits gebunden waren.
Die Dresdner Künstler entschieden sich bei der Ausführung für ein Gemisch aus Granulat und Sichtbetonkleber in abstrakt-geometrischer Formensprache. Unterschiedliche Körnung und Struktur des verwendeten Materials und die Farbenvielfalt gaben dem Kunstwerk Plastizität und Strahlkraft. Die Wandgestaltung wurde zum Eröffnungstermin fertiggestellt. Die Einweihung des Rathausneubaus fand am 28.10.1976 statt. Damit war nach über 30 Jahren der Nord-West-Flügel entlang des Unteren Graben wieder geschlossen.
Baubezogene Kunst im Kollektiv
Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht gehörten seit 1960 einer Genossenschaft an, die vorwiegend Aufträge für architekturbezogene Kunst ausführte. Das Gründungskonzept war die Verbindung von Kunst, angewandter Kunst und Architektur. Die gesetzlichen Regelungen zur künstlerischen Ausgestaltung von Verwaltungsbauten in der DDR und die daraus resultierende dauerhafte Bereitstellung finanzieller Mittel für Kunst am Bau bildeten den organisatorischen, ideologischen und finanziellen Rahmen, in dem diese Produktionsgenossenschaft des Handwerks ihre aktive Geschäftstätigkeit bis 1992 ausübte.
um Portfolio der Genossenschaft gehörten neben Wandgestaltungen Spielplatzplastiken und -geräten auch Brunnenanlagen, Freiplastiken sowie ornamentale und durchbruchplastische Wände. Die gemeinschaftliche, mehrjährige Entwurfspraxis führte schließlich zur Entwicklung des seriellen Formsteinsystems von Adler und Kracht. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Künstler der Gestaltung von keramischen Wandbildern und den Forschungen zum Materialeinsatz für künstlerisch gestaltete Architekturoberflächen.
Das pneumatische Beschichtungsverfahren von Adler und Kracht
Das von Adler und Kracht im Auftrag der Bauindustrie entwickelte pneumatische Beschichtungsverfahren stellte eine Innovation in der künstlerischen Wandgestaltung von Betonoberflächen in der Nachkriegsmoderne dar. Bereits seit 1962 erprobten die beiden Künstler ein „Verfahren zur industriellen Herstellung von farbstarkem, witterungs- und lichtbeständigem keramischem Granulat oder aus Natursteinsplitt oder Glassplitt bestehendem Beschichtungsmaterial auf Oberflächen von Beton, Plast oder Glas“. Auftraggeber war die Bauakademie der DDR. Zweck der Forschungsarbeit sollte die Sichtflächengestaltung im industriellen Wohnungsbau sein.
Jenes Verfahren sollte schließlich in mehreren Teilpatenten ausgegeben und später als „pneumatisches Beschichtungsverfahren“ bezeichnet werden. Am Anfang stellten die Künstler das erste keramische Granulat in Rot im Muffelofen des Ateliers selbst her. Die Farbpalette wurde dann ständig erweitert. An die eigenen Kapazitätsgrenzen stoßend, suchten sie sich zur Herstellung des Granulates schließlich Partner in der Industrie. 1967 gaben Adler und Kracht einen Katalog mit den lieferbaren Granulaten heraus.
Zur dauerhaften Anhaftung des Granulats wurde ein Klebstoff entwickelt, den die Firma Moran aus Leipzig lieferte. Der sogenannte „Sichtbetonkleber SBK“ gehörte als eigenständige Komponente zum Verfahren. Auch konnte die Beschichtung mehrlagig erfolgen und damit eine optische und haptische Wirkung von „klassischen“ Wandputzen erreicht werden. Während in der Bauwirtschaft die vollmechanisierte Beschichtung Einzug fand, setzten Adler und Kracht das Verfahren ab 1964 für künstlerische Wandgestaltungen ein. Das SchablonenPrinzip wurde zum Kern der neuen Werktechnik, ebenso wie das Auftragen der farbgebenden Schichten mit einem ein- oder zweidüsigen Spritzgerät. Die Gestaltungsmöglichkeiten ergaben sich durch die Struktur des verwendeten Materials und das Mischen verschiedener Farben und Materialien. Mit dem pneumatischen Beschichtungsverfahren wurden insgesamt neun künstlerische Wandgestaltungen, darunter in Plauen und Zwickau, geschaffen.
Am Neuen Rathaus Plauen hielt die Oberflächenfestigkeit der Beanspruchung nicht vollständig stand. Wohl deshalb blieb die Wandgestaltung nur bis 1987 sichtbar. Die eigentlichen Gründe, die zu ihrer vollständigen Verkleidung mit Sandsteinplatten führten, liegen weitestgehend im Dunkeln, und das Vorhandensein der Wandgestaltung geriet im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit.
Die Modernisierung und Instandsetzung des Nord-West-Flügels
Nach über 40 Jahren zeigten sich an der geneigten Glasfassade des Neuen Rathauses von Plauen deutliche Schadensbilder: Wasser drang zwischen die Gläser und in den Ratssaal ein. Die Stilllegung des Fassadenliftes in den 1990er Jahren ließen Sanierungsarbeiten am äußeren Fensterkitt nicht mehr zu. Dieser untragbare Zustand und die Unzufriedenheit mit den seit der Eröffnung 1976 vorhandenen Gegebenheiten erzeugten den Willen zur Umgestaltung. Im Jahr 2012 wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt, mit der Aufgabenstellung, unter Aufgabe des Bauwerkes von 1976 einen Neubau zu entwerfen. Von den 24 eingereichten Wettbewerbsarbeiten kam wegen zu hoher Baukosten letztlich keine zur Ausführung.
Im Jahr 2014 beschloss der Stadtrat, eine Untersuchung zur Sanierung des Bestandes mit Umbau in Auftrag zu geben. Sie ergab eine ausführliche Schadensdokumentation der Glasfassade, zeigte aber auch, dass die eigentliche Tragkonstruktion des Nord-West-Flügels in einem guten, sanierungsfähigen Zustand war. Als Option nannte die Untersuchung die Freilegung der Wandgestaltung von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht. Die Studie wurde im Dezember 2014 im Stadtrat präsentiert und ihr Ergebnis bestätigt. Der Erhaltungszustand der Wandgestaltung von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht war bis dahin unbekannt; Hinweise auf die Möglichkeit noch vorhandener Befunde können aus heutiger Sicht als Anfang der gelungenen Rettung gesehen werden.
Ein sensationeller Fund im Verlauf des Baugeschehens
Den Auftrag zum Umbau und zur Modernisierung des Plauener Rathauses erhielt die iproplan® Planungsgesellschaft mbH aus Chemnitz. Sie reichte 2017 den Antrag auf Baugenehmigung ein. Da das Wandbild von Adler und Kracht zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Sandsteinverkleidung verdeckt war, konnten dessen Erhaltungszustand und daraus ableitbare denkmalpflegerische Maßnahmen nicht beurteilt werden. Um eine Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist treffen zu können und um das Genehmigungsverfahren zur Klärung denkmalrechtlicher Belange nicht aussetzen zu müssen, erhielt die denkmalrechtliche Zustimmung einen Auflagenvorbehalt. So konnte auf denkmalpflegerische Belange bei Fortgang des Bauvorhabens reagiert werden. Der Antragsteller ging außerdem davon aus, dass eine abschließende Beurteilung des Wandbildes von Adler und Kracht auf Grund der Sandsteinverkleidung nicht möglich sei und bezog es deshalb nicht in seine Antragsplanung ein.
Restauratorin Sonnhild Müller und Dietrich Kelterer, Kunstverein Plauen-Vogtland e. V., engagierten sich seit 2017 für die Freilegung des Werkes. Drei Bohrkernuntersuchungen brachten als Ergebnis gute Erhaltungszustände auf den Oberflächen der Proben. Es begann der spannende Prozess der Freilegung. Links des Rathauseingangs wurden Sandsteinplatten entfernt und die freigelegte Fläche ließ eine überzeugende Proberestaurierung zu. Daraufhin wurde eine Musterfläche angelegt. Aus Sicht der Denkmalpflege war die Präsentation des Wandbildes möglich und deshalb dessen Erhaltung in Gänze gesetzlicher Auftrag.
Da weitreichende Änderungen der Planung für die Gestaltung des Eingangsbereiches nunmehr absehbar waren, musste der Stadtrat einbezogen werden. In der Sitzung am 04.06.2019 stimmte dieser mit 21:14 Stimmen für die Erhaltung des Kunstwerks. Am 16.07.2019 wurde bekanntgegeben, dass die Wüstenrot Stiftung die Restaurierung des Wandbildes im Rahmen ihres Denkmalprogramms unterstützen wird und die Stadt das Vorhaben in die Sanierung einbezieht
Restaurierung des Wandbildes
Unter der schlichten Sandstein-Verblendung im Eingangsbereich des Plauener Rathauses schlummerte ein Kunstwerk mit enormer Strahlkraft.
Nachdem die Wandgestaltung von 1976 bereits nach nur kurzer Zeit im Juli 1987 wieder mit Sandsteinplatten verblendet wurde, verschwand sie aus der öffentlichen Wahrnehmung. Dies sorgte auch dafür, dass das Wissen um deren Existenz und des Erhaltungszustandes verloren ging. So konnte zu Beginn des Projekts keine konkrete Aussage über den Zustand der Wandgestaltung getroffen werden. Niemand wusste, ob das Wandbild in Gänze erhalten oder gar abgeschlagen wurde. Es war also notwendig, sich vorsichtig in die Tiefe zu arbeiten und zu ermitteln, ob das Wandbild noch vorhanden ist und in welchem Zustand es vorliegt. Einige Kernbohrungen lieferten nur einen sehr kleinen Einblick in den Erhaltungszustand des Kunstwerks, konnten aber immerhin nachweisen, dass die Farbigkeit noch vorhanden war.
Im Winter 2018/2019 wurde eine Untersuchungskampagne gestartet. Auf der links des Einganges gelegenen Wandfläche wurden die Sandsteinplatten vollflächig abgenommen. Durch Lücken im darunterliegenden Vergussmörtel war erkennbar, dass die Wandgestaltung in gutem Zustand war. Um jedoch ein Bild der gesamten Fläche zu erhalten, wurde der Vergussmörtel, welcher sich zwischen Sandsteinverblendung und Wandbild befand, entfernt.
Zum Vorschein kam eine weitestgehend intakte Oberfläche – zwar verschmutzt durch großflächige Kalkauflagerungen und stark beeinflusst durch die Vielzahl an Ankerlöchern, welche die Sandsteinplatten hielten, dennoch in erstaunlich gutem Zustand. Mit diesem Wissensstand und der Vermutung, dass auch die restliche Fläche in vergleichbarem Zustand ist, konnte die Planung zur Einbindung der Restaurierung der Wandgestaltung in die Sanierung des Plauener Rathauses beginnen. Ob die Maßnahme tatsächlich umsetzbar war, konnte zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht abgesehen werden. Um den Entscheidungsprozess zu unterstützen, wurde eine Musterfläche ins Auge gefasst, die den Zustand nach abgeschlossener Restaurierung präsentieren sollte.
Erarbeitung eines Restaurierungskonzepts
Für die Musterfläche wurde ein Bereich gewählt, der durch das vorhandene Gerüst einfach zugänglich war und alle Schadensarten enthielt. So konnten Fragen, die eine mögliche Restaurierung aufwirft, bereits zu diesem Zeitpunkt beantwortet werden.
Klar war, dass eine Reinigung zwingend notwendig war. Der eingebrachte Vergussmörtel hatte großflächige Kalkschleier auf der rauen Oberfläche hinterlassen. Im Porenraum hatten sich zudem Zuschlagsstoffe des Mörtels abgelagert. Zur Entfernung der groben Verschmutzung wurde eine Testreihe mittels Partikelstrahlverfahren angelegt. Diverse Strahlmittel und Arbeitsdrücke wurden evaluiert und am Ende stand die bestmögliche Reinigungsmethode fest. Diese erfüllte die Bedingung eines schonenden Umgangs mit der Oberfläche des Wandbildes bei gleichzeitig zufriedenstellendem Reinigungsergebnis.
Die durch ihre regelmäßige Anordnung und den einhergehenden Oberflächenverlust stark störenden Ankerlöcher wurden mit einem Kalkmörtel geschlossen. Hierbei wurde bewusst ein materialfremder Mörtel eingesetzt. Zum einen ließen sich die exakten Rezepturen der Wandgestaltung nicht mehr nachstellen, da sowohl das Bindemittel Morinol als auch die keramischen Granulate nicht mehr verfügbar waren. Die ursprüngliche Applikation mittels Druckluft hätte zudem einen extrem hohen Nachbearbeitungsaufwand bedeutet. Zum anderen ist es ein Grundsatz in der Restaurierung, die vom Restaurator eingebrachten Materialien als neure Zugabe erkennbar zur machen. Bei genauer Betrachtung der Oberfläche ist dies auch nach vollendeter Restaurierung möglich.
Farbliche Anpassungen der ergänzten Bereiche sorgten für ein geschlossenes Bild und machten das Kunstwerk in seiner immensen Farbwirkung und Strahlkraft wieder erlebbar. Die im März 2019 abgeschlossene Musterfläche bildete ein weiteres Argument für den Erhalt des Kunstwerkes.
Vom Kleinen ins Große
Ein Stadtratsbeschluss vom 04.06.2019 sprach sich für den Erhalt der Wandgestaltung aus. Die Stadt Plauen und die Wüstenrot Stiftung entschlossen sich daraufhin gemeinsam zu einer vollständigen Freilegung und denkmalgerechten Restaurierung des Wandbildes unter Ausführung des an der Musterfläche erarbeiteten Vorgehens. Die Maßnahmen wurden durch die Wüstenrot Stiftung beauftragt und mit rund 165.000 Euro finanziert.
Durch die Einbettung der Restaurierung in den größeren Kontext der Sanierung des Nordflügels des Rathauses begann diese im November/Dezember 2020. Zunächst wurde die verbliebene Sandsteinverblendung abgenommen. Der Vergussmörtel bot nur geringe mechanische Anhaftung an den Untergrund, sodass die Platten weitestgehend ohne Beschädigung des Untergrundes entfernt wurden.
Der Vergussmörtel wies stark variierende Bindung zur Oberfläche des Wandbildes auf. Im oberen Bereich lag dieser weitestgehende lose auf, im unteren Bereich hingegen klebte er partiell stark an der Oberfläche. In diesen Bereichen wurde der Mörtel mechanisch zurückgearbeitet und dann mittels Partikelstrahlreinigung entfernt. Die gesamte Fläche wurde in der auf der Musterfläche erarbeiteten Weise gereinigt. Die Anker konnten ausgebohrt werden, ohne weitere Beschädigungen am Wandbild zu verursachen.
In einigen wenigen Bereichen hatte sich die Wandgestaltung vom Ziegelsteinträger gelöst. Um diese zu sichern, wurde ein Hinterfüllmörtel eingebracht, der die Bindung an den Untergrund wiederherstellte.
Nach Rückbau der gesamten Verkleidung zeigten sich die Spuren ihres einstigen Einbaus. Neben den markanten 855 Ankerlöchern war auch die weitere Oberfläche punktuell verletzt. Im bodennahen Bereich traten einige Ausbrüche zutage, welche geschlossen werden mussten.
Eine Besonderheit stellte die Wandflächen in unmittelbarer Nähe zum Eingang dar. Diese waren nicht mit Sandstein verblendet, hier befand sich ein glattgezogener Kalkzementputz direkt auf der Oberfläche. Um diesen entfernen zu können musste die Oberfläche der verschiedenen Wandanstriche zunächst mechanisch reduziert werden. Der Putz konnte im Anschluss dann ebenfalls mittels Partikelstrahlreinigung entfernt werden.
Stand der Restaurierung im Winter 2021
Die Restaurierungsarbeiten mussten aufgrund der laufenden Bauarbeiten der Sanierung des Rathausnordflügels in Abschnitten durchgeführt werden. So führten Lieferschwierigkeiten für die Glaselemente des neu entstehenden Eingangsbereiches, welcher die Wandgestaltung in den Innenraum verlagerte, zu Verzögerungen.
Im November/Dezember 2021 waren ein Großteil der 855 Ankerlöcher geschlossen und die Ausbrüche und Oberflächenverlust bearbeitet. Hierfür wurden 175m² Sandsteinverblendung entfernt und ca. 12 Tonnen Hinterfüllmörtel von der Oberfläche abgetragen. Die Bereiche, in denen sich die Wandgestaltung gelöst hatte, wurden entweder wieder mit dem Untergrund verklebt oder durch einen Hinterfüllmörtel mechanisch angebunden. Auf ca. 200 m² wurden kleinere Retuschen angelegt .
Der gute Zustand der freigelegten Oberfläche und deren robuste Beschaffenheit bildeten die Grundlage für die kommenden erfolgreichen Restaurierungsschritte. Dass diesen nichts mehr im Wege stand, war nicht zuletzt dem engagierten Einsatz aller Projektbeteiligter zu verdanken.
Abschluss der Restaurierung im Zeitraum 2022 bis April 2024
Während der Maßnahme wurden weitere 16m² Wandgestaltung im Gebäudeinneren entdeckt, ebenfalls freigelegt und restauriert, sodass heute die komplette Wandgestaltung, ausgenommen eines vorhandenen Durchbruchverlusts, zu sehen ist.
Neben dem Verschluss der Ankerlöcher und der Bearbeitung aller Bereiche, in denen die Oberfläche verloren ging, mussten einige Risse, vor allem im Bereich der Eckgestaltungen geschlossen werden. Einige Hohlstellen wurden mit Kalkmörtel hinterfüllt. Hierzu wurden Injektionsschläuche eingesetzt, über welche dann der dünnflüssige Mörtel eingebracht werden konnte. Die Füllung der Hohllagen erfolgte in mehreren Arbeitsschritten.
Nach Abschluss der konservierenden Leistungen konnte mit der Retusche als sicherlich aufwändigstem Arbeitsschritt begonnen werden. Die sehr raue Oberfläche des Kunstwerks sowie die besondere Lichtsituation, welche durch einen starken Einfall von direktem Tageslicht und leichtem Streiflicht durch die Deckenbeleuchtung geprägt ist, bildeten eine enorme Herausforderung an die Retusche. Aufgrund der Verglasung und der daraus resultierenden Spiegelung war es kaum möglich, das Kunstwerk auf Distanz zu sehen. Die in Teilen sehr kurze Betrachterdistanz auf das Kunstwerk stellt eine Herausforderung für die Retusche dar. Eingriffe der aktuellen Restaurierungskampagne bleiben immer ablesbar.
Die erzielte Beruhigung der Farbigkeit versetzt den Betrachter in die Lage, den Eindruck eines geschlossenen Kunstwerks und das zugrundeliegende Konzept zu erfahren. So wurden auch großflächige Verluste im Randbereich auf der linken Seitenfläche der Wandgestaltung vollständig rekonstruiert. Die geometrische Form und durch Wiederholung geprägte Gestaltung ließen dies zu.
Nachdem auch der ursprüngliche Sockelstreifen ergänzt wurde, war die Restaurierung der Wandgestaltung im April 2024 beendet.